Aufführungsbesprechung Augsburg: „Oberon“ von Carl Maria von Weber am 24. und 28. August 1828

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Correspondenz.

(Augsburg, den 29. Aug.) Nachdem der „Oberon“ von M. v. Weber zweimal an unserm Bühnenhimmel aufgegangen oder eigentlich aufgehangen ist, glauben wir mit wenigen Worten Folgendes darüber sagen zu dürfen: Eben so wenig, wie im übrigen Deutschland, ist dieser Oper hier die enthusiastische Aufnahme zu Theil geworden, die man sich davon versprochen hatte, und die in frühern Jahren der Freischütz desselben Componisten erlebte. Der einfache Grund liegt darin, daß die Musik im „Oberon“, obgleich sie von Originalitäten strotzt, weniger populär ist, als die des Freischützen, und sich mit allen ihren Chören, Melodien und charakteristischen Stellen durchaus in der Sphäre höherer Romantik bewegt, ja, zuweilen sogar in’s Phantastische und Carrikirte hinein reicht. Wenn wir auch zugeben, daß man, wie ein Berichterstatter in der Augsburger Abendzeitung sagt, klassische Opern öfter hören müsse, um ihre Vortrefflichkeiten allmälig herauszufühlen, und Schritt vor Schritt in die darin erschlossenen Mysterien der Tonkunst einzugehen, so dürfen doch die allgemein gültigen Schönheiten, wie sie z. B. in der „Zauberflöte“ von allen Seiten auf uns hereinblitzen, nicht so versteckt liegen, daß wir unsre Einbildungskraft und Vorliebe für den Componisten unaufhörlich in’s Gewehr rufen müssen, um uns und Andere in einen affektirten und enthusiastischen Antheil so hinein zu hetzen, daß | man bei dem innigsten Gefühle für die Kunst Schach matt werden könnte. – Die äussere Ausstattung der Oper ließ, bis auf das etwas schmutzig abstechende Gefolge des Kaisers Carl, im Verhältniß zu unsrer Bühne, nichts zu wünschen übrig, und es gereicht dem Comité zum besondern Ruhme, dem Produkte eines deutschen Componisten diese Aufmerksamkeit geschenkt zu haben, während bei vielen andern Bühnen nur französischen und itatlienischen Sudlern diese Ehre zu Theil wird. Ob die Herren vom Comité bei den für diese Oper ein für allemal bestimmten doppelten Preisen der Plätze ihre Rechnung finden, und die nicht unbedeutenden Ausgaben für Garderobe und Dekorationen decken werden, möchten wir fast bezweifeln, weil dergleichen Spekulationen gerade in Augsburg die schlechtesten Früchte tragen. Jeder vernünftige Augsburger, wenn ihm der freundliche Gedanke kommt, der Kunst ein Opfer zu bringen, überschlägt zuvor im Stillen, wie viel Krüglein seines Lieblingstrankes er dafür in fröhlicher Gesellschaft zu sich nehmen kann, und während so sein linkes Auge von den unbekannten Genüßen im Weber’schenOberon“ träumt, und in analoger Hand das doppelte Leggeld wiegt, schwelgt sein rechtes Auge in bekannten Genüßen, und sieht im Geiste die leuchtende Batterie schäumender Bierkrüge vor sich angefahren. Bei den gewohnten einfachen Preisen hat die Kunst schon oft den Sieg davon getragen, bei doppelten Preisen aber muß sie dem feindlichen Getränk unterliegen! Die früher beschlossene, dreimal auf einander folgende Darstellung der Oper: „Oberon“, ist, um das Publikum für seine Theilnahmlosigkeit zu bestrafen oder vielleicht auch aus andern Gründen, aufgegeben worden. – Mad. Dittmarsch, als Oberon, sang ihre nicht sehr dankbare Parthie (wie die Recensenten zu sagen pflegten) mit ihrer bekannten Virtuosität und stoischen Gelassenheit. Auch Dlle. Tewissen, ein neu engagirtes weibliches Glied unsrer Bühne, scheint als Rezia allgemein gefallen zu haben. Sie besitzt einen ansehnlichen Fond an Stimme und tiefem, aber chaotisch durch einander liegendem Gefühl. Sollte sie mit der Zeit über Beides eine sichere Herrschaft erlangen, so haben wir das Ausserordentlichste von ihr zu erwarten. Ihre Stimme ist stark und voll, der Vortrag aber geht in einer zwecklosen und beängstigenden Hast, die durch ein eben so unmotivirtes Spiel noch störender wird, völlig unter. Auch muß Dlle. Tewissen sich hüten, das Orchester, statt es zu übersehen, zu überschreien. Was wir unter diesem Ueberherrschen verstanden wissen wollen, können wir am leichtesten an der Dlle. Schechner demonstriren, deren Gesang, wie ein mächtiges ¦ Linienschiff auf den Wellen der rauschendsten Orchesterbegleitung, in ruhiger Majestät dahin fährt, ohne je aus den Schranken des Edeln und der poetischen Wahrheit zu treten. Dlle. Tewissen wird wohl merken, daß wir auf die große deklamatorische Arie der Rezia im zweiten Akte: „Ocean! du Ungeheuer! &c.“, hindeuten. Dlle. Wagner (Fatime) hat sich in Spiel und Gesang sehr zu ihrem Vortheil geändert; nur möge sie eine gewisse ungraziöse Beweglichkeit ablegen, die namentlich den Augsburger Damen sehr mißfällt, weil diese ungern an andern vermissen, was ihnen selbst in so hohem Grade zu Theil ward. Zu Hrn. Wagners, unsers ersten Tenoristen, Hierbleiben dürfen wir uns mit Recht gratuliren; denn wenn auch seiner Stimme die jugendliche Frische mangelt, so verbindet er doch mit einem sehr angenehmen Vortrage ein so verständiges und anmuthiges Spiel, daß sein Verlust bei dem großen Mangel an guten Tenoristen gewiß sehr schwer zu ersetzen seyn würde. Die Parthie des Hüon gehört mit zu seinen besten Leistungen. Nicht minder zufrieden sind wir mit unserm wackern Baritonisten Wolfram, der jedoch dem Spaßmacher Scherasmin, so wie überhaupt allen Spaßmachern, wenn er will, gewiß noch viel komischere Seiten abgewinnen kann. Von den übrigen Mitspielern und Mitspielerinnen glauben wir genug gesagt zu haben, wenn wir ihre Anzüge loben. Vorzüglichere und verhältnißmässigere Anerkennung aber verdienen die Leistungen des Hrn. Musikdirektors Kühnlein, des Orchesters und der beiden Chöre. Ob dem Hrn. Regisseur Huber* die Leitung und die Arrangements dieser Oper anvertraut sind, wie der Hr. Berichterstatter in der Augsburger Abendzeitung es behauptet, wissen wir nicht, aber das wissen wir, daß sie ihm, wenn dem so ist, alle Ehre machen. – Die Dekorationen verdienen im Durchschnitte alles Lob, ob es gleich unverkennbar ist, daß es die erste Leistung des Malers, Ern. Christ. Wittmann, seyn mag, die er in diesem Fache der Kunst machte. Manche Dekorationen sind durch zu verschiedenartige Gegenstände, z. B. durch Blumenstöcke u. s. w. überhäuft, wodurch es an der eigentlichen Haltung gebricht. Im Ganzen soll allerdings Reichthum vorherrschen, aber schöner ist es, solchen bei einer gewissen Einfachkeit anzubringen. In Betreff der Beleuchtung der Dekorationen ist manches zu wünschen übrig geblieben, da das schärfste Auge das nicht erkennen konnte, was der Hintergrund darstellen sollte. Einzelnen Dekorationen gebührt ein besonderes Lob geschickter und kunstgerechter Ausführung, z. B. der belaubte Bogengang im Anfange des dritten Actes &c.

Apparat

Zusammenfassung

über die ersten beiden Aufführungen des „Oberon“ in Augsburg

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Schreiter, Solveig

Überlieferung

  • Textzeuge: Flora. Ein Unterhaltungs-Blatt, Jg. 8, Nr. 174 (1. September 1828), S. 707f.

Textkonstitution

  • „Kühnlein“sic!

Einzelstellenerläuterung

  • „… Ob dem Hrn. Regisseur Huber“Anton Huber, von 1827 bis 1830 Komiker und Regisseur am Augsburger Theater.

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